Ansicht des Schlosses von Norden um 1838
Der Kanstein in Canstein bei Niedermarsberg liegt etwas fernab zum Sauerland hin. Über ihn sei die Äußerung eines dortigen Heimatfreundes, des Landgerichtsrats Freiherrn von Canstein, zitiert: „Der Cansteiner Felsen besteht aus Kalkstein. Hoch aufragend steigt er aus dem Kleppetale empor. Er liegt am Treffpunkt dreier Täler und ist heute von der mächtigen Burg Canstein gekrönt.“ Die Geologie der hiesigen Gegend ist in prähistorischer Zeit sicher für eine Ansiedlung von Menschen günstig gewesen. Der Raum um Canstein hat im Untergrund Zechsteingebirge. Der Zechstein ist ein Meeresbodensediment und enthält sehr viel Kalkablagerungen und Tonschiefer. Die weicheren Gesteine wie die Tonschiefer sind an der Oberfläche verwittert und die härteren Kalkgesteine stehen geblieben. So auch unser „Dicker Stein“, wie er im Volksmund heißt. Die ersten Siedler in prähistorischer Zeit fanden einen begehbaren Talgrund vor. Das führte dazu, dass schon immer ein Wildwechsel und Wanderweg durch Canstein verlief. Später jedenfalls gab es Verbindungsstraßen von überörtlicher Bedeutung in Canstein. Der heutige Burgberg, durch Mauern und Aufschüttungen stark verändert, stieg damals von Osten her flach an und endete im Westen im steilen Abfall des Felsens. Ein idealer Platz um zur Verteidigung eine Fliehburg zu errichten. Wahrscheinlich haben schon die Kelten und Germanen diese Örtlichkeit für solche Zwecke genutzt. Die älteste urkundliche Erwähnung über das Schloss Canstein stammt aus dem 11. und 12. Jahrhundert. 1080 taucht der Name Reische von Cansteyn in einer Gerichtsurkunde auf und 1120 wird Reinbold de Kaanstein in Kaufurkunden des „Castrum Cahenstein“ als Zeuge erwähnt. Ein Güterverzeichnis des Bischofs Adalbert 1. von Mainz (1111-1137) berichtet, dass Reginboldus das castrum (die Burg) Kahenstein mit den zugehörigen Gütern und Hörigen an das Erzstift Mainz verkauft hatte. Dieser Verkauf ist aber wohl nicht realisiert worden. Später jedenfalls gehörte ein breiter Streifen Landes, der sich von Warburg bis Marsberg erstreckte und Kanstein einschloss, einem Zweig der Grafen von Everstein Polle. Der Kansteiner Besitz der Eversteiner wurde von den Grafen nach und nach veräußert. Im 13. Jahrhundert gelangten die Güter als Schenkung an das 1150 gestiftete Augustinerinnenkloster Arolsen. Bereits 1302 musste ein Streit um Kanstein zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Grafen von Waldeck geschlichtet werden. Die Raben von Pappenheim wurden schließlich 1342 vom Kölner Erzbischof Walram mit dem Berg Kanstein belehnt mit dem Auftrag, dort auf eigene Kosten eine (neue) Burg und Burgsiedlung zu errichten. In den Jahren 1406 bis 1446 taucht der Name Lippold vom Cansteyne in zahlreichen Urkunden auf. Im gleichen Jahrhundert bricht dann eine Fehde um Kanstein aus, in der alle Dörfer der Herrschaft Kanstein in Flammen aufgehen. Ein Bericht darüber, der zwar aus dem Jahre 1535 stammt und damit ein rund 80 Jahre zurückliegendes Ereignis beschreibt, dürfte doch der Wahrheit sehr nahe kommen. 1464 fiel Rabe von Kanstein, als Verbündeter des Erzbischofs von Köln, dem Landgrafen von Hessen in das Kloster Hasungen, die Dörfer Elsungen und Nothfeld ein. Im Jahre 1501 hausten auf Kanstein die Brüder Lippold und Rabe, die mit dem Grafen Philipp von Waldeck im ewigen Streite lebten. Anno 1502 überfiel Rabe die Stadt Mengeringhausen in der Fastnacht. Aus gegebenem Anlass feiert man heute alle sieben Jahre Freischießen in Mengeringhausen. Rabe und Lippold erhielten von den früher ihnen von Waldeck verpfändeten Orten Udorf, Heddinghausen, Leitmar und Dorlar und kauften um das Jahr 1512 dem Hermann von Eschenberg all seine um Wetterburg und Arolsen gelegenen Güter ab. Beide Brüder schmälerten später ihre Besitzungen durch mehrere Verkäufe.
Durch Heirat wurden etwa im 16. Jahrhundert die Freiherren von Spiegel zum Desenberg bei Warburg Mitbesitzer des Cansteins und 1792 unter Franz Wilhelm von Spiegel, der auch Kammerpräsident des geistlichen Kurfürstentums Köln war, Alleinbesitzer. Zur Herrschaft von Canstein gehörten die Dörfer Canstein, Udorf, Leitmar und Borntosten. Die Bauern dieser Dörfer saßen auf „Meierhöfen“, die sie vom jeweiligen Lehnsnehmer der Herrschaft verliehen bekamen. Franz Wilhelm von Spiegel war sehr darauf bedacht, die Bildung des Volkes in religiöser und geistiger Beziehung zu heben. Er richtete auf eigene Kosten und unter Mitwirkung der Gemeindeinsassen im Jahre 1802 ein altes Bauernhaus zur Schule ein. Er nannte sie „Industrieschule“. Es wurde Unterricht erteilt im Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion und Handarbeiten. Die Mädchen lernten das Nähen und Stricken. Für die Jungen war eine Baumschule errichtet.
Älteste bekannte Karte der Herrschaft Kanstein 1572
Mit diesem Lippold beginnt für Kanstein eine neue Epoche. Seine älteste Tochter Katharina, aus der Ehe mit Anna von Münster, heiratete 1558 Philipp von Spiegel zum Desenberg. Dadurch gelangte ein Teil der Cansteiner Herrschaft an eben diesen. Fortan wurde die Herrschaft in Ober- und Unterhaus aufgeteilt. Im Oberhaus waren die von Spiegels, im Unterhaus die von Cansteins ansässig. Um die Verschuldung der von Cansteins zu schmälern, wurden ihre Besitzungen nach und nach an die Spiegels veräußert. Der Familie von Canstein verbliebene Teile sind um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, durch den 1719 verstorbenen Karl Hildebrandt von Canstein, an das Waisenhaus zu Halle vermacht worden, welche der im Jahre 1815 verstorbene kurkölnische Kammerpräsident Franz Wilhelm von Spiegel zum Desenberg nach und nach wieder erwarb. Hierdurch kam nun die ganze Herrschaft von Canstein an diesen Zweig der Familie von Spiegel und vereinigte diese anno 1792. Der jüngere Bruder des Franz Wilhelm von Spiegel, Ferdinand August, Erzbischof von Köln, ist der Stifter und Bauherr der im Jahre 1837 eingeweihten Cansteiner St. Laurentiuskapelle. Am 11. Februar 1837 verkaufte Kaspar Philipp Graf von Spiegel zum Desenberg, diese Herrschaft nebst den Rittersitzen Beringhausen und Hanxleben an den Grafen Franz von Spee zu Düsseldorf. Von dem Grafen Franz von Spee gelangte sie, laut seiner Testamente vom 30. Juli 1830, im Jahre 1839 an dessen Sohn August, Grafen von Spee. Von diesem kaufte der Prinz Ferdinand Viktorian Philipp Toussaint von Croy zu Dülmen am 14. Oktober 1846 diesen Besitz, der durch den Kaufvertrag vom 1. Oktober 1853 an Ludwig Freiherr von Elverfeldt gelangte. Dieser hat das alte Schloss abgebrochen und mit Benutzung einiger Teile desselben das jetzige neue Schloss im modernen Stile auf dem Cansteine errichtet, während der alte, isoliert stehende nördöstliche Bau, welcher zum Gerichtslokale und zur Rentei benutzt wurde und in welchem sich die Schlosskapelle und das Erbbegräbnis sowie das Archiv befindet, noch steht. Seit 1853 ist das Schloss mit seinen Gütern im Besitz der Familie von Elverfeldt. Am 2. März 1873 verstarb Ludwig Freiherr von Elverfeldt und hinterließ eine große Schuldenlast. Sein Sohn und Erbe Ludwig Levin verlor beide Söhne im jugendlichen Alter, sodass er die Herrschaft Canstein zur Verwaltung seinem Vetter und Schwager Alexander Aloysius Freiherr von Elverfeldt zu Langen (1836-1910) übergab. Erbe war dessen ältester Sohn Alexander Ludwig. Er nahm nach seiner Militärzeit 1905 die bisher verpachteten Güter in eigene Bewirtschaftung und modernisierte vor dem ersten Weltkrieg die Dörfer Canstein und Udorf durch Elektrifizierung. Er ist der Ahnherr aller heute in Canstein, auf Gut Forst und Borntosten lebenden Familien von Elverfeldt.
(Quelle: Auszug aus dem Buch „Canstein – Im kurkölnischen Sauerland“ von Alexander Josef Freiherr von Elverfeldt.)