Dorf Canstein von Osten 1910
Das idyllisch gelegene Dorf „Unter dem dicken Stein“ im tief eingeschnittenen Tal der Kleppe wird von den steilen Kalkfelsen beherrscht, der bereits in germanischen Zeiten sich als Angriffs und Verteidigungsstellung anbot. Der Name Kanstein ist ein Naturname, er ist aus der Anschauung der Dinge entstanden und diese vermittelt in allen Fällen das Bild schroff aufsteigender hoher Felsen, Kannsteine sind hohe Steine. Die hohen Steine haben sichtbare helle Kalkwände, nur weiß schimmernde Kalkfelsen, und auch nur solche an wichtigen Verkehrslagen sind Kannsteine. Canstein hat seinen Namen von dem „Dicken Stein“, dem Kanstein, was soviel bedeutet, wie Stein an der Kante, an der Ecke. Die älteste urkundliche Erwähnung stammt aus dem 11. und 12. Jahrhundert. 1080 und 1120 werden Lehnsnehmer des „Castrum Cahenstein“ in Kaufurkunden erwähnt. Darin taucht eine „Camera de Canstein“ als Zahlstelle des Erzbischofs von Köln auf. Erzbischof Walram von Köln beauftragte im Jahr 1342, die Gebrüder von Papenheim, Rave den Älteren, Rave den Jüngeren und Herbold auf dem Canstein eine feste Burg zu erbauen. Sie sollte eine Grenzfeste gegen den Grafen von Waldeck und das Bistum Paderborn sein. Der Graf von Waldeck erbaute dann auch gleich zum Trotz eine Burg gegenüber von Canstein, die er Grimmenstein nannte. Durch einen Vergleich mit dem Kölner Erzbischof ließ er sie 1346 wieder abbrechen. Die Raven von Papenheim, die ihre Burg bei dem untergegangen Dorf Papenheim in der Nähe von Warburg hatten, nannten sich nun Raven von Canstein. In der Raubritterzeit machten sie sich unliebsam bemerkbar. Sie gehörten dem berüchtigten Benglerbund an und raubten und plünderten besonders auch die Waldeckschen Grenzorte, so in Adorf und Mengeringhausen. An den Überfall auf Mengeringhausen erinnert noch das so genannte „Freischießen“, das alle 7 Jahre dort gefeiert wird. Im Jahr 1429 beantragte Canstein ein Stadtrecht, da aber kein Richter und kein Rat existierten und nicht in Erscheinung traten ist zu prüfen, ob das Privileg tatsächlich wirksam geworden ist oder eine Absichtserklärung blieb.
Durch Heirat wurden etwa im 16. Jahrhundert die Freiherren von Spiegel zum Desenberg bei Warburg Mitbesitzer des Cansteins und 1792 unter Franz Wilhelm von Spiegel, der auch Kammerpräsident des geistlichen Kurfürstentums Köln war, Alleinbesitzer. Zur Herrschaft von Canstein gehörten die Dörfer Canstein, Udorf, Leitmar und Borntosten. Die Bauern dieser Dörfer saßen auf „Meierhöfen“, die sie vom jeweiligen Lehnsnehmer der Herrschaft verliehen bekamen. Franz Wilhelm von Spiegel war sehr darauf bedacht, die Bildung des Volkes in religiöser und geistiger Beziehung zu heben. Er richtete auf eigene Kosten und unter Mitwirkung der Gemeindeinsassen im Jahre 1802 ein altes Bauernhaus zur Schule ein. Er nannte sie „Industrieschule“. Es wurde Unterricht erteilt im Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion und Handarbeiten. Die Mädchen lernten das Nähen und Stricken. Für die Jungen war eine Baumschule errichtet.
Mühlengrund
In Canstein gab es einige Mühlen. Da war die Kleppmühle an der Kleppwiese oberhalb von Canstein, sie war wohl immer eine Getreidemühle. Ein Hochwasser eröffnete um 1820 eine Bachwinde und nahm ihr den Zufluss. Es gab die Mühle am Güthing direkt unterhalb von Canstein, sie hatte im Laufe ihrer Geschichte zahlreiche verschiedene Verwendungen. Getreidemühle, Gipsmühle, d.h. Pochwerk mit auf- und abbewegten Stößeln zur Zerkleinerung des Kalkmergels für Düngezwecke. Gleichfalls mit Pochwerk ausgerüstet und einer Filterpresse als Ölmühle zur Verarbeitung von Raps und Bucheckern. Ferner war sie zeitweilig als Pfeifenbohrmühle im Einsatz. Es wurden in dieser Mühlenart mittels Wasserkraft geradschäftige Baumstämme, meist Fichten, zu Wasserleitungsrohren ausgebohrt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie zu einer Sägemühle mit einer Horizontalsäge ausgebaut. Diese altertümliche Säge war bis 1966 noch in Gebrauch. In diesem Jahre brannte das Gebäude nieder weil der zum Antrieb eines Horizontalgatters eingesetzte Lanz – Bulldogschlepper eine Staubexplosion verursachte. Die Reste der Grundmauern stehen heute noch. Es gab noch die Papiermühle unterhalb der Güthingmühle. Die verarbeitete die Lumpen aus der Herrschaft, sie wurde um 1790 von Franz Wilhelm von Spiegel errichtet und 1860 stillgelegt. Ludwig von Elverfeldt wandelte sie in Werkstatt und Wohnhaus für einen bei ihm angestellten Zimmermeister Fakiner um.
Darstellung der Salpetersiederei nach Agrippa
1709 und 1727 wird im Archiv in Canstein der Abschluss von Kontrakten mit den Bürgern zur Salpetersiederei beschrieben. Die als Salpeter bezeichneten Salze der Salpetersäure wurden aus den im Boden durch bakterielle Umsetzung von organischen Bestandteilen (Humus) entstandenen Stickverbindungen durch Auswaschungen gewonnen. Salpeter war ein wichtiger Bestandteil des Schießpulvers und daher sehr begehrt. Das Werk war im 17. Jahrhundert durch Georg Agricola entstanden.
Dorf Canstein. Luftbild von Osten um 1925
Die Geschichte des Dorfes Canstein ist mit der des Schlosses eng verbunden. Der größte Teil der Feldflur und der ganze Wald gehörten den Herren. Die meisten Einwohner waren als Tagelöhner von ihnen abhängig. Freie Bauern gab es nur wenige. Armut und Not herrschten in den meisten Hütten. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich ein gewisser Wohlstand bemerkbar gemacht. Canstein hat seinen dörflichen Charakter noch weitgehend bewahrt, wenngleich Veränderungen durch den Ausbau der Ortsdurchfahrt und des Kleppebaches unübersehbar sind. Der alte Ortsbereich gibt die geschichtlich bedingte Entwicklung unter den Schlossherren wieder: kleine Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Die Neubebauung vollzog sich am nördlichen und südwestlichen Ortsrand.
(Quelle: Auszug aus dem Buch „Canstein – Im kurkölnischen Sauerland“ von Alexander Josef Freiherr von Elverfeldt.)